Champagner: Label-Dekadenz, eine Irrfahrt zwischen Ignoranz und Selbstherrlichkeit

Champagner gilt gemeinhin als der König der Weine, aber auch als Wein für die Könige schließlich wurden in der Stadt Reims unzählige französische Könige getauft. Seine Reinheit, seine Eleganz und Finesse als auch das Verständnis über seine Herstellung lassen diesen schäumenden Wein in einer gleißenden Aurora aus Anmut, Handwerk und Tradition erstrahlen, wie es kaum ein anderer Wein vermag.

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Champagner ist der Inbegriff für Festlichkeit und Luxus, eine royalistische Interpretation dessen, was uns Terroir (Boden, Klima, Wetter), Wein und Winzer zu geben vermögen. Doch wie geht man als Konsument, als geneigter Trinker mit dieser royalen Verantwortung um? Und mit einem Produkt, dessen Entstehung durch so viel Entbehrung und harte Arbeit geprägt ist, dass es schier unmöglich erscheint, auch nur einen einzigen Tropfen dieses besonderen Weines sinnlos zu vergeuden.

Große Häuser und berühmte Cuvées

Das Gros des weltweit getrunkenen Champagners kommt aus wenigen Häusern. Allen voran steht die Maison Moët & Chandon mit einem Produktionsvolumen, so dass alle zwei Sekunden auf der Welt eine Flasche des berühmtesten Hauses geöffnet werden kann. Doch auch Namen wie Veuve ClicquotBollingerPol RogerPerrier-Jouët oder Pommery produzieren vergleichsweise große Mengen des edelsten aller Weine. Die große Kunst dieser Hersteller besteht darin, eine Standart-Cuvée zu erzeugen, die über Jahre und Ernten hinweg gleich schmeckt. Dieser Haus-Stil ist so etwas wie der Benchmark für Champagner; die Qualität, die wir alle kennen.

Diese Weine sind die Triebkraft hinter der Marke Champagner, tragen sie doch den Namen und die Besonderheit der Weine in die ganze Welt. Doch sind sie auch der beste Vertreter? Vor allem Weinexperten, wirkliche und selbsterklärte – bezweifeln dies. Schließlich sind diese Weine nicht gerade die besten Beispiele dafür, um das Terroir, also den Boden, das Klima und das Wetter der Region widerzuspiegeln. Aber sollte dies nicht der Anspruch eines großen Weines sein? Das Credo dieser Leute lautet: Je größer das Haus, desto weniger gut kann die Qualität sein.

Kleine Winzer und unendliche Perfektion

Die wahren Handwerker, die großen Künstler der Champagne sind die kleinen Winzer, die sogenannten Récoltant-Manipulant (RM). Jene Weinbauern, die ihr eigenes Traubengut selber vinifizieren und vermarkten. Die kleinen Mengen an Lesegut kommen von den eigenen Weinbergen und bilden somit das Terroir ihrer Herkunft perfekt ab. Für Connaisseure eine großartige Erweiterung und allemal äußerst spannend und reizvoll. Also eigentlich die besseren Weine? Diese Frage bleibt schwer zu beantworten. Wer jemals einen Champagner Anselme Selosse getrunken hat, oder flaschengereifte Weine von Francis Egly, der hat einige der besten Champagner der Welt getrunken. Brillant, vibrierend und voller Frucht oder Mineralität. Aromen, die so nur schwer zu finden sind – Abbilder des Terroirs.

Zwei Philosophien und mehr

Doch sind diese in Kleinstmengen erzeugten Perlen wirklich besser als die großen Weine, die – im Übrigen – zumeist bezahlbar in den Regalen dieser Welt stehen? Ist ein Porsche ein besseres Auto als ein Skoda? Wohl nicht, es ist vielmehr ein anderes. Ähnlich verhält es sich mit Champagner. Die Idee der Standart-Cuvées und die der kleinen Hersteller kann unterschiedlicher nicht sein. Häufig sind es eben jene kleinen, zum Teil verkopften Champagner, die in Tastings mit – man verzeihe mir den Ausdruck – normalen Genießern eher abfallen, da sie öfter mal anstrengend zu trinken sind. Bei den „Mainstream-Champagnern“ hingegen empfinden viele Menschen pure Freude, denn häufig wollen diese einfach nur etwas feiern oder sich selbst belohnen. Da ist dann kein Platz für liquiden Intellektualismus.

Es ist wie so oft, man sollte in diesem Fall ein wenig von sich selbst abstrahieren und ins Auge fassen, was der konkrete Konsument wünscht. Jungen, aufgeregten Menschen einen Krug zu servieren ist vielleicht genauso zielführend, wie einem Sommelier einen einfachen Drappier anzubieten. Beides geht an der Zielgruppe vorbei. Vielmehr ist es wichtig zu verstehen, dass es für beide Philosophien auch die entsprechenden Trinker gibt, die das jeweilige Produkt mit Respekt und Genuss zelebrieren.

Clubs und leuchtende Label

Respekt und Genuss sind die Schlagwörter, die es für einen weiteren Aspekt bedarf. Der Vorteil der großen Häuser ist ihre Fähigkeit, Unmengen an Kapital in Marketing zu investieren. Sie sorgen für den nötigen Puls, um stets neues Klientel zu begeistern. Eines der erfolgreichsten Konzepte dafür ist vorgelebte Leichtigkeit, Dynamik und Energie. Wer jemals die Ausstrahlungskraft einer leuchtenden Dom Perignon Flasche in einem Club gesehen hat, das Zelebrieren des Champagner-Säbelns, die Erotik hinter diesem Akt des Eskapistischen – für viele Leute steht Champagner genau dafür, weiß wovon ich spreche. Eskapismus, Erotik oder wie diese Leute es nennen: Puff-Brause oder Diskoschorle. Eine gewisse Inszenierung und Show gehört für viele dazu, schließlich will man den sich leistbaren Luxus auch zeigen. Doch ist dieser auch schuld daran, dass viele Champagner nur des Etiketts willen konsumieren? Oder wiederum andere gar nicht erst daran denken, sich dem Champagner zu widmen?  Beides sehr schade, da es der Komplexität des Produktes bei weitem nicht gerecht wird und dadurch vielen der Zugang zu einer vielseitigen und großartigen Welt verschlossen bleibt.

Champagner polarisiert: Der versöhnende schmale Grad

Champagner als solcher polarisiert, ebenso wie die Wahl zwischen –den leuchtenden Flaschen großer Häuser und dem zur Perfektion getriebenen Terroirismus kleiner Hersteller. Doch diese beiden Seiten waren und werden stets versöhnlich koexistieren, da sie genau um ihre Bedeutung und Unterschiedlichkeit wissen. Wir als Genießer sollten genau dies auch tun. Wir sollten den Champagner trinken, welcher uns schmeckt, uns zusagt und welcher dem Moment ab besten steht. Wir sollten nur stets bedenken, dass hinter jeder Flasche eine Menge Arbeit steht. Und dieser Arbeit gilt es Respekt zu zollen. Ähnlich einem König. Das ist bei Champagner ja mehr oder weniger das Gleiche.

In diesem Sinne: Cheers!

Autor: Thomas Zilm

Er beschäftigt sich mit dem liquiden Leben. Zwischen Spirituosen und Weinen wandelnd, beschäftigt er sich nicht nur mit den Produkten, sondern vielmehr mit den Menschen und den Philosophien dahinter. Darüber schreibt er auf seinem Blog.

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