Mal Hand aufs Herz – wer von Ihnen trinkt Sherry?
Die Frage in größeren Runden gestellt führt zumeist dazu, dass sich leise ein, zwei Personen melden und alle anderen lautstark kundtun, dass dies kein Wein für sie wäre.
Oder sie geben zu, dass sie sich zumindest noch nie mit Sherry beschäftigt haben. Bei genauerem Nachfragen gesteht einer der sich Meldenden, dass er oder sie gelegentlich mal ein Glas trinkt – vor allem wenn zum Kochen eine Flasche benötigt wurde.
Sherry scheint niemand mehr zu trinken – schon gar nicht hier in Deutschland. Dabei handelt es sich um einen der bedeutendsten Weine der Welt, dessen geschmackliche Grenzen zwischen trocken und extrem süß liegt. Es stimmt sogar, dass Sherry die trockensten und süßesten Weine der Welt stellt. Schon allein wer Extreme mag, sollte unbedingt einmal ein Glas Sherry probieren.
Von Hitze und weißen Böden
Die Heimat von Sherry liegt ganz im Süden Spaniens – in Andalusien, um die drei Städten Jerez de la Frontera, Sanlúcar de Barrameda und El Puerto Santa Maria, welche das sogenannte Sherrydreieck bilden. Insgesamt 11 Ortschaften ist es durch das DO – das Denominacion de Origen; die geschützte Ursprungsbezeichnung – erlaubt, Wein für die Herstellung anzubauen. Das Terroir, dass Zusammenspiel zwischen Klima, Boden und Kultur ist hier von ausgesprochener Besonderheit. Es ist eine einzigartige Region, geprägt von den Wechselwinden des Atlantiks und Nordafrikas, den schneeweißen Albariza-Böden und der Hitze des Sommers – Jerez selbst ist eine Region der Extreme. Hier wachsen die Trauben, welche einen Wein erschaffen, der vielmehr durch Reifung seine Prägung erreicht als viele andere. Alle Sorten Sherry – von den trockensten, blassgelben Manzanillas bis hin zu den schwer dunklen und süßen PX Weinen – entstehen auf Basis einer der drei weißen Trauben Palomino, Moscatel oder Pedro Ximenez, von der die Palomino Traube die Königin darstellt und für die meisten aller Sherrys verantwortlich ist.
Von Hefeschichten und Oxidation
Die Entwicklung der Sherry-Weine wird vor allem durch die Art und Weise ihrer Reifung bestimmt. Dabei geht es prinzipiell um die Frage, ob diese unter der berühmten Hefe-Flor-Schicht bei Luftabschluss reifen oder oxidieren (?), denn eines der großen Wunder ist die Tatsache, dass Manzanilla, Fino, Amontillado, Palo Cortado und Oloroso in ihrem Ursprung alle mehr oder weniger der gleiche Wein sind – auf Basis von Palomino.
Während Fino und Manzanilla ihr ganzes Leben unter einer dicken Flor-Hefe-Schicht rein biologisch reifen, fällt diese bei Oloroso komplett weg. Amontillado und Palo Cortado sind vereinfacht dargestellt Zwischenstufen und bewegen sich zwischen den Welten. Pedro Ximenez und Moscatel sind auf Basis ihrer jeweilig eigenen Trauben, die vor der Vinifikation rosinenartig getrocknet werden und somit von Grund auf extrem süß sind. PX gilt mit bis zu 450 Gramm Restzucker pro Liter als der süßeste Wein der Welt. Im Gegensatz dazu weisen manche Finos oder Manzanillas weniger als 1gr./ Liter auf und sind somit die trockensten Weine der Welt.
Ein Wein – zwei Städte
Fino und Manzanilla – von Grund auf der gleiche Wein, nur durch Ihre Herkunft werden die beiden Geschwister zu eigenen Kategorien. Beide Weine sind trocken, sind geprägt von feinen Fruchtnoten und einer ausgesprochenen Frische und Leichtigkeit. Und doch gibt es einen Unterschied. Fino Sherry darf im gesamten DO Jerez hergestellt werden, wohingegen Manzanilla ausschließlich aus der Stadt Sanlúcar de Barrameda kommen darf. Deren Nähe zum Atlantik lässt dort eine einzigartige Hefe-Flor entstehen, die diesem Sherry ein besonders maritimes Aroma verleiht und ein bisschen an Oliven, Salz und Zitrone erinnert. Dies ist auch der Grund, warum für diese aufgespritteten Weine nicht nur das Terroir des Weinbergs wichtig ist, sondern auch die Lage, Bauweise und Art der Bodega – der Weinhöfe.
Wein und seine Reise – die Geschichte des Fortifizierens
Schon frühzeitig wurde in Jerez Wein angebaut und verschifft. Selbst die maurische Herrschaft ab dem 8. Jahrhundert unterbrach diese Kultur nicht. Spätestens seit der großen Zeit der spanischen Seeherrschaft wurden die Weine in die ganze Welt geschifft. So brach Magellan 1519 zu seiner Weltumrundung in Sanlúcar de Barrameda auf und hatte eine Menge Sherry an Board. Solch lange Zeit auf See ist nicht nur für Menschen eine anstrengende Sache, auch für Weine und so kippten diese unter dem Stress und dem Salzgehalt. Eine Lösung, diesem Problem Herr zu werden war das Aufspritten der Weine durch Neutralalkohol. Hierbei wird auch die Grundlage bereitet, ob ein Wein unter der Hefeschicht reift oder nicht, stirbt diese doch ab 17%vol. ab.
Die Solera – ein einzigartiges Reifeprinzip
Ausgebaut werden diese aufgespritteten Weine anschließend im berühmten Solera-Verfahren, dabei liegen Reihen von Fässer übereinander. In die oberste Reihe wird der frische, aufgesprittete Wein gegeben. Zur Abfüllung wird der untersten Reihe der fertige Wein entnommen und diese werden mit Wein der darüberliegenden, etwas jüngeren Reihe wieder aufgefüllt, diese dann aus der ihnen obenauf liegenden Reihe usw.. Dabei jedoch wird das Fass nie gänzlich gelehrt, so dass die Qualität sich über die Jahre anpasst und annähernd gleich bleibt.
Ein Wein unter Weinen, aber ein besonderer
Die Herstellung von Sherry ist etwas Besonderes, äußerst kompliziert und Bände füllend. Dafür entstehen Weine, die spektakulär sind, interessant und anders als alle anderen Weine dieser Welt. Und auch wenn Sherry einen ganz eigene Weg geht und seine Herstellung einzigartig ist, so ist er schlussendlich ein Wein und sollte auch so gelagert und getrunken werden.
Während die etwas schweren Amontillados oder Olorosos ausgesprochen gut zu Fleisch passen, sind gerade die trockenen und leichten Fino-Weine bzw. Manzanillas ein perfekter Start in den Abend. Ein Aperitivo der sich auch bei 30°C im Schatten ganz entspannt genießen lässt. Moscatel und PX hingegen eignen sich hervorragend als Dessert.
Scheuen Sie sich nicht, und probieren Sie diese vergessenen Köstlichkeiten. Es ist eine komplett eigene Welt, deren Entdeckung so unendlich viel Spaß bereitet und Neues offenbaren wird.
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