Stimmt so (nicht)! – warum digitales Trinkgeld polarisiert
Digitales Trinkgeld spaltet die Gästeschar und erfreut die Gastronomen – noch. Denn auf lange Sicht sprudeln die freiwilligen, digitalen Zuwendungen nur, wenn folgende Parameter erfüllt sind.

Die Deutschen sind nicht nur passionierte Bargeldfans, sondern auch großzügige Trinkgeldgeber. Laut einer aktuellen Lightspeed-Umfrage gibt mehr als die Hälfte (55 Prozent) zwischen 10 und 15 Prozent Trinkgeld. Selbst die Inflation hält viele Restaurantbesucher (32 Prozent) hierzulande nicht davon ab, Service und Qualität mit einer Extrazuwendung zu honorieren. Sogar bei Selbstbedienung halten sich viele an diesen ungeschriebenen Verhaltenskodex. Fünf bis zehn Prozent der Rechnungssumme gelten hierzulande als Konsens. Mehr als 2 Milliarden Euro kommen in deutschen Restaurants jährlich auf diese Weise zusammen.
WERMUTSTROPFEN: WENIGER TRINKGELD BEI BARGELDLOSER BEZAHLUNG
Allerdings setzt sich auch in der hiesigen Gastronomie zusehends das bargeldlose Bezahlen durch. Mit einem Wermutstropfen: Studien belegen, dass bargeldlos zahlende Gäste weniger und oder seltener Trinkgeld geben. Schließlich spielt beim Trinkgeld auch die emotionale, persönliche Komponente eine wichtige Rolle. Zudem haben manche Gäste Zweifel, dass der einbehaltene Prozentsatz auch wirklich in die Taschen der betreffenden Servicekraft fließt. Nicht selten wird das Trinkgeld aber auch schlichtweg im elektronischen Bezahlprozess vergessen.
TIP-BOOSTER: TRINKGELD-BUTTON
So wundert es nicht, dass moderne Kartenlesegeräte und Kassensysteme mittlerweile alle über eine Trinkgeld-Option verfügen. Die digitalen Trinkgeld-Systeme können von Mitarbeitenden auf mobilen Geräten präsentiert werden oder auf Bildschirmen an der Theke. Per Button können die Gäste zwischen verschiedene Prozentzahlen wählen. Auch die Eingabe freier Beträge ist oft möglich – genauso wie die Option „kein Trinkgeld“. Manche Kassensysteme oder Apps erlauben es zudem, Trinkgelder einem bestimmten Kellner zuzuordnen.
VON NETT BIS NERVIG: GEITEILTE GÄSTEREAKTION
Die Resonanz der Gäste ist gespalten. Manche finden es praktisch und freuen sich über die automatische Erinnerung, die ihnen den Stress des Kopfrechnens erspart. Zudem kommen bargeldlose Trinkgeldzuwendungen einem erhöhten Hygieneempfinden entgegen. Andere wiederum empfinden den Trinkgeld-Button aufdringlich und fühlen sich durch ihn oder das offensive Handling seitens der Servicekraft unter Druck gesetzt. Der englische Begriff für diese Form der Beeinflussung lautet „nudging“, was so viel bedeutet wie „anstupsen” oder „schubsen”. Die Vorgehensweise stammt aus den USA, wo Servicekräfte meist sehr schlecht bezahlt werden, so dass sie auf das Trinkgeld angewiesen sind.
KURZFRISTIGE STEIGERUNG: TIPPFLATION UND MANIPULATIVE DISPLAYS
Und die Restaurants? Freuen sich über steigende Trinkgeldsummen. Noch. Denn mittlerweile belegen Studien, dass die zunehmende Verbreitung digitaler Trinkgeldsysteme nicht nur die Höhe, sondern auch die Dynamik des Trinkgeldes verändert. Dies ist größtenteils der sogenannten Tipflation geschuldet und der Gestaltung vieler Displays. So sind die programmierbaren Werte teilweise astronomisch hoch, nicht selten bis zu 25 Prozent. Oft in Kombination mit einer manipulativen Gestaltung der Touchscreens, welche sich mit Optionen zwischen 10 und 25 Prozent die aus der Psychologie bekannte „Tendenz zur Mitte“ zunutze machen, um damit überhöhte Trinkgeldzahlungen zu triggern. Zudem ist die Option kein Trinkgeld zu geben, oft erst durch aktives Scrollen auffindbar.
NACHHALTIGES VERGRAULEN: GÄSTE MÖGEN KEINEN DRUCK
Diese offensive Praxis hat ihren Preis. Aktuelle Studien belegen, dass derartige hohe digitale Trinkgeld-Beträge Gäste entmutigen und sich negativ auf Empfehlungen auswirken. Selbst wenn manche Gäste die Vorgaben in der akuten Entscheidungssituation als entlastend empfinden, ärgern sich sich im Nachhinein, dass sie zu viel Trinkgeld gegeben haben. Und: Kunden, die sich beim Trinkgeld geben beobachtet fühlten, waren weniger geneigt, wiederzukommen oder ihren Gastgeber weiterzuempfehlen. Fühlen sich Gäste unter Druck gesetzt, verlieren sie das Gefühl der Kontrolle, was das Trinkgeldgeben zu einer positiven Erfahrung macht. Je größer der Druck ist, desto seltener kehren sie in das Lokal zurück. Auf lange Sicht scheint diese Praxis also mehr kurzfristiger Erfolg als nachhaltige Strategie zu sein.
STEILVORLAGEN FÜR SANFTES ANSTUPSEN: FREIWILLIGKEIT MACHT FREUDE
Gastronomen sind deswegen gut beraten, bei der Auswahl entsprechender Systeme auf ein kundenfreundliches Display zu setzen und ihr Personal anzuleiten, dessen Bedienung einfühlsam zu erläutern. Es handelt sich schlußendlich um einen heiklen Drahtseilakt, der die Gäste sanft anstupsen aber nicht verprellen darf. Auch an Transparenz darüber, wo genau das Trinkgeld landet, sollte es nicht fehlen. Hier können Gastronomen auch auf Anbieter wie tipply, tipty, Tippie oder TiPJAR setzen, die das Trinkgeld via CR-Code direkt und steuerfrei auf das private Bankkonto von Servicekräften fließen lassen. Darüber hinaus empfiehlt sich eine moderate Programmierung der wählbaren Optionen von 5 bis 15 Prozent. Schließlich soll Trinkgeld allen Beteiligten Freude und ein gutes Gefühl bereiten ….

Kirsten Schwieger
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